Der Blick nach draußen und S. verkündet, „mit Schnee überzogen die Straßen und Wege, auch das Grün des Gartens“. So poetisch hat sie es nicht gesagt. Dunkel um 6 Uhr, auch keine Vögel die zwitschern, nur der kalte Luftzug vom Fenster. Wir bleiben noch liegen, wärmen uns, Halbsätze und Wörter flattern müde im Schlafzimmer. Der Kater kommt durch die offene Tür, schnurrt, schmeichelt seinen Kopf mit den unseren. „Steht auf ich will etwas zum Fressen haben“. Kaum ist S. auf den Beinen steht er schon am Treppenabsatz und schaut sie an. Kater, Yoga, Tee – Sonja-Gymnastik, Wechselduschen und Wäsche auf-oder abhängen- Volker. Ich bin das Kellerkind, S. kommt einmal in der Woche in den Keller, flüchtig, man bemerke die Doppeldeutigkeit. Um 8 Uhr waren die Morgenrituale beendet und dann gings aufs Rad. Eisschneeknirschen unter den Rädern. Darunter Eis, gefroren, langsam fahren, sie rechts, ich links. Im Schneider -Bäckerei- die Jungs, die Gruppe wird immer größer und manch einer würde sich gerne dazu sitzen, aber wir können nicht anbauen. S. im Laden, ich leite einen Workshop. Besprechung mit K., sie leitet mit und dann um 10 Uhr geht es los. Thema, Liebe, Sexualität, Freundschaft. Widererwarten läuft alles gut, trotz der sozialen, intellektuellen und emotionalen Probleme der Jugendlichen. Das Spiel „Obstsalat“ zieht jeden und jede aus der Reserve. Draußen schneit es, innen sehr warm und ehrlich untereinander. Die Frage an uns “ dürfen wir ehrlich sein“, ja ihr dürft. Nun fallen ein paar deftige Ausdrücke, aber alles doch respektvoll untereinander in dieser Klasse. Haben wir heute einen guten Tag mit ihnen erwischt? Der Klassenlehrer ist begeistert und angetan, normaler Weise meinte er , könne er die Klasse nicht alleine lassen. Die Feedbackrunde zum Schluss, alles gut für die Kids und uns. Mittagszeit, es ist heller geworden trotz der Wolken die über Augsburg hängen. Es ist das erste Mal das es mir auffällt. Eigentlich wollte ich heute über die Veränderung an den Straßenrändern schreiben, den Wahlplakaten, den Parolen, den Ankündigungen, den Versprechen, aber ich, beschäftigt mit den WS und den emotionalen und geistigen Verarbeiten der Klasse. Das Hirn läuft auf Hochtouren, denn man könnte das und das noch machen. Jede Klasse ist anders, jeder WS, und was heute funktioniert geht vielleicht schon morgen mit einer anderen Klasse nicht mehr. K. fährt nach Aichach, ich bleibe in Augsburg, mein Büro empfängt mich mit freundlichen 12 Grad. Fast zwei Stunden später bin ich schon wieder weg und mit G. auf den Weg zu einer Besprechung mit Streetworkern. Tja, Schule, QA, Schüler:innen, Lehrer, Kiffen, Drogen, wenig Motivation, überforderte Lehrkräfte und engagierte Schulleiter:innen. Fast zwei Stunden tauschen wir unsere Erfahrungen aus, die wir mit Schülern haben und Klassen die nicht ganz einfach sind. Mittelschulen und Realschulen, eigentlich die Basis für das Handwerk und den bürgerlichen Mittelstand, wird nicht gefördert und wenn, dann gibt es Leuchtturmprojekte ,wie dies vom Bayerischen Digitalminister Herr Mering, VR Brille zum Thema Konzentrationslager und meint damit wäre es getan. Diese o.g. Schüler brauchen erstmal Beziehungsarbeit, die teilweise zu den Eltern fehlt, eine Lehrer- Schülerbeziehung und dann könnten sie lernen. Aber gerade diese Schüler sind mit der digitalen Welt so überfordert, das Wissensvermittlung und vor allem Wissensaufnahme bei ihnen nur mäßig funktioniert. Kein Schüler und auch keine Schülerinnen kann nach nächtelange Zocken und Handy daddeln, am Morgen am Unterricht angemessen teilnehmen. Da gäbe es jetzt viel zu schreiben. Ich koche eine Suppe, heize ein kurz vor 19 Uhr , zwanzig Minuten später kommt S., tiefgefroren vom Radeln, die Suppe taut sie auf. Wir blubbern ein bisschen und ich beginne zu schreiben. Sie kommt und küsst mich liebevoll mit dem Strickzeug in der Hand und verschwindet nach oben zum Stricken und zum Fernseher.
Haiku des Tages: Was für eine Wärme in den Häusern. Draußen, Mützen die Köpfe wärmen. Trotzdem auch immer wieder einen kühlen Kopf bewahren.
