4.3.2024 Tordesillas

Der Alltag ist manchmal wie ein ungebetener, grauer, schmieriger Gast. Lange, vor allem unten am Meer, hielt er sich entfernt vom Bus. Nun heute in Tordesillas, streift er feixend und die Hände reibend um uns herum, verteilt Emails, WhatsApp und sonstige Nachrichten, grinsend mit dem Hintergedanken “ ihr werdet mich nicht los“, ich habe euch immer am Wickel. Familiäres und berufliches wollen Entscheidungen, sogar das totgeglaubte Gespenst Corona taucht wieder auf, in Form von Anträge überprüfen und sich positionieren. Draußen fällt der Regen und das Grau des Himmels schließt sich mit dem ungebetenen Gast zusammen. Ihr Reisenden, ihr Träumer, meint ihr entkommt den Winter und denkt hier im Süden ist Frühling und wärmer, mitnichten, es bleibt kalt. So bleiben wir am Campingplatz in 700 m Höhe mit sternenklarem Himmel. Der Große Wagen und das Kreuz des Südens über uns. Die Stadt erkundeten wir nachmittags nachdem der Regen aufhörte und die Sonne herauskam. Der kalte Wind blieb und trieb uns alsbald in eine Bar. Ratschend, essend und trinkend verbrachten wir dort den restlichen Nachmittag. In der Stadt, in der bis 2015, jedes Jahr seit über 500 Jahren ein Stier durch die Straßen getrieben wurde und dann im nahen Kiefernwald entweder begnadigt wurde oder mit einem Dolchstoß ums Leben kam. Zuvor hatten ihn nicht wenige Lanzenstiche derart geschwächt, das er halb ohnmächtig am Boden kniet und auf seinen Todesstoß wartet. Warum das Spektakel, Pest, Teufel, Aberglaube oder hitzebedingte Männlichkeitswahn, keine Ahnung. Gesegnet von der Kirche von den Königen und der Politik in den letzten 500 Jahren. Gesegnet sind hier alle Kirchen mit samt ihren Heiligen und davon gibt es einige. An Ostern wird hier die christliche Ostergeschichte mit lebensechten Figuren nachgespielt. Tordesillas, klein aber geschichtsträchtig und umkämpft, liegt unterhalb des Duoro, der in Porto in den Atlantik mündet. Über ihn ein Storch, der Richtung seines Nestes fliegt, einmal eine Runde um den Kirchturm, das der oder die Partner:in ihn/sie erkennt und dieser verlässt das Nest, er oder sie kann landen. Die Eier können ohne Unterbrechung warm gehalten werden in der nun kommenden kalten Nacht. Es werden 0 Grad und weniger erwartet. Ein kurzer Spaziergang in der Nähe des Flusses und die Abenddämmerung umschließt uns. Haiku des Tages: Ein blauer Besen kehrt Schmutz auf die Straße, niemand ist zu sehen. Augen sehen Poesie, erfahren wir von einem Graffity. Ein Teenager knattert laut mit seinem Moped durch die engen Gassen, mit seiner 700 Jahren alten Steinbrücke und Kathedralen.


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